Die pädagogischen Konferenzen

In den pädagogischen Konferenzen der Freien Interkulturellen Waldorfschule Berlin wird ausschließlich rein Menschliches besprochen, um sich zu begegnen, wahrzunehmen und eben den gemeinsamen Geist zu finden. Sie dienen dem Austausch der Erfahrungen und letztendlich der Erkenntnis des konkreten Kindes, niemals aber der Entscheidung für eine einzelne pädagogische Massnahme. Die Entscheidung in Fachfragen obliegt letztendlich, wie oben ausgeführt, immer dem damit betrauten Fachmann. Wo diese „republikanische Verfassung“ streng beachtet wird, arbeitet auch die wöchentliche Konferenz der Lehrer effizient. Zäh gestaltet sich eine Lehrerkonferenz erfahrungsgemäß genau dann, wenn dort Fachspezifisches diskutiert wird, und man es also in Wahrheit doch mit einer demokratischen Verfassung zu tun hat.


In der täglichen Zusammenarbeit kann es nicht ausbleiben, dass Mitglieder der Gemeinschaft immer mal wieder eine Einzelheit besser beurteilen können als derjenige, der mit dem entsprechenden Aufgabenbereich betraut wurde. Sie möchten dann ihrem besseren Wissen auch Gehör verschaffen. Das darf nicht dazu führen, dass sie die Lehrerkonferenz in die Richtung einer auch nur unausgesprochenen Mehrheitsentscheidung bringen können. Denn dann fällt die Gemeinschaft bewusstseinsmäßig wieder auf die Inhaltseben zurück. Auf der nunmehr unbewussten Begegnungsebene spricht sie die Fähigkeit sich selbst als Gemeinschaft zu, und untergräbt die freie Verantwortlichkeit des real handelnden Individuums.


Das soll unter allen Umständen vermieden werden. Jedes Mitglied wird sich vor seiner Kritik an einem anderen selbst fragen müssen: entziehe ich dem Kollegen das Mandat, oder spreche ich es ihm weiterhin zu? Das ist nämlich das Korrelat der gedanklichen Kritik auf der realen Begegnungsebene. Auf der Begegnungsebene gibt es immer genau zwei Möglichkeiten: Entweder man bestätigt den anderen in seinem Amt, oder man lehnt ihn ab. Wenn man ihn bestätigt, kann man die eigene Kritik niemals als eine Vorschrift, sondern nur als einen freilassenden Rat verstehen. Mit dieser Haltung wird man dann an den anderen herantreten, und das persönliche Gespräch suchen. Wenn dadurch keine Einigung zu erzielen ist, bleibt nur noch, dem Kollegen das Mandat streitig zu machen. Das ist in der Verfassung der Freien Interkulturellen Waldorfschule Berlin die Alternative zu einem freilassenden Rat. Dann muss der Kritiker aber prüfen: wie verhält sich die Tatsache, dass ich an dieser einen Stelle etwas besser weiß, zu den Anforderungen des Amtes insgesamt? Wäre der Gemeinschaft damit wirklich besser gedient, wenn ein anderer den Posten übernimmt? Und wer konkret ist besser geeignet?


Jedes Mitglied der Freie Interkulturellen Waldorfschule Berlin wird also zu jedem Zeitpunkt abwägen müssen zwischen der Freiheit, das eigene Urteil zu äußern, und dem Schaden, den die Gemeinschaft durch die damit einhergehende Beschneidung der Freiheit des anderen nehmen könnte. Und als Inhaber einer Delegation wird jeder lernen, sich in seinem freien Handeln doch an den Interessen der Gemeinschaft zu orientieren. In diesem Sinn ist die Gemeinschaftsbildung hier eine soziale Kunst, durch die der verbindende Geist allmählich scharfe Konturen gewinnt. Dieser verbindende Geist selbst ist das „Programm“ der Freien Interkulturellen Waldorfschule Berlin.