Solidargemeinschaft der Lehrer

Rudolf Steiner formulierte den Grundsatz der Trennung von Arbeit und Einkommen. Das Ziel der Arbeit der Lehrer ist demnach die Entwicklung des Kindes, nicht das Einkommen. Ein Einkommen müssen die Lehrer bloß deshalb haben, weil sie ihre körperlichen und geistigen Bedürfnisse befriedigen müssen. Die Arbeit dient dem Kind, das Einkommen dagegen der Befriedigung der Bedürfnisse des Lehrers. Es soll nicht für das Geld, sondern für das Kind gearbeitet werden. Deshalb bemühte sich Steiner um Einrichtungen, welche beide Motive trennen. Das strebt auch die Freie Interkulturelle Waldorfschule Berlin an. Sie erfasst auf der eine Seite die individuellen Bedürfnisse der in der Schule arbeitenden Menschen. Daraus ergibt sich eine Gesamtsumme, die sie von staatlicher und wirtschaftlicher Seite erbeten muss. Wie diese Gesamtsumme unter den arbeitenden Menschen aufgeteilt wird, ergibt sich allein aus den tatsächlichen Bedürfnissen.


Das Einkommen orientiert sich ausdrücklich nicht nach irgendeiner Festsetzung des vermeintlich unterschiedlichen „Werts“ der Leistungen. Es ist hier durchaus möglich, dass ein Erzieher mehr verdient als ein Oberstufenlehrer, wenn die jeweiligen Lebensverhältnisse dies erforderlich machen. Die Schulgemeinschaft „kauft“ außerdem keine Arbeitskraft, sondern ermöglicht demjenigen, dessen fähige Mitarbeit sie wünscht, seine täglichen Bedürfnisse zu befriedigen. Das kann in einem Fall ein sehr geringes, im anderen Fall ein relativ hohes Gehalt sein. Wie der Senat dabei die finanziellen Mittel zuordnet, ist seine Sache, und wird nicht durch die interne Verteilung gespiegelt. Ausdrücklich wird kein Einkommen für die Anzahl der geleisteten Stunden bezahlt. Wie viel und wie lange der Einzelne arbeiten kann und will, wird vielmehr unabhängig von der Höhe des Einkommens verhandelt, und orientiert sich an dem Grundsatz, die Kräfte des Pädagogen nicht zu verbrauchen, sondern lebendig zu halten. Sofern es arbeitsrechtlich erforderlich ist, können gleichwohl eine Mindest-und eine Höchststundenzahl festgesetzt werden.


Die Orientierung des Einkommens an den tatsächlichen Bedürfnissen bietet eine gewisse Schwierigkeit. Es muss unter allen Umständen vermieden werden, über die Bedürfnisse, die ein Lehrer für sein Einkommen geltend macht, moralisch zu urteilen. Es wird sich vielmehr darum handeln, dass jeder Lehrer den Betrag nennt, den er für die Zusammenarbeit verlangen muss. Die Gemeinschaft prüft dann, ob es möglich ist. Wer es nicht gewohnt ist, mit seiner ganzen Persönlichkeit in einem freien Geistesleben zu stehen, kommt zudem mit dem Gedanken, dass nicht seine Leistung, sondern allein das Bedürfnis vergütet werden soll, zuerst schwer zurecht. Gerade dieses Erlebnis ist aber ein wesentliches Gestaltungsmittel der hier angestrebten Gemeinschaft. Es soll sich das Mitglied der Gemeinschaft gerade aufgefordert sehen, das Motiv für die eigene Arbeit in der Arbeit selbst zu suchen. Und es soll ihm auch zugetraut werden, die Bedürfnisse seines Kollegen wahrzunehmen, bewusst zu urteilen, welcher Platz diesem Kollegen im Hinblick auf das gemeinsame Ziel gebührt, und die eigenen Ansprüche mit der Gemeinschaft entsprechend abzustimmen. Transparenz der Bezüge ist eine notwendige Voraussetzung dieser Arbeitsweise. Ansonsten braucht für die Trennung von Arbeit und Einkommen nichts weiter getan werden. Sie stellt sich als natürliche Folge ein, sobald die Verwaltung im oben skizzierten Sinn als „Selbstverwaltung“ gestaltet wird. Sofern es keinen Arbeitgeber gibt, gehört die jährliche Gesamtsumme nämlich dem Kollegium insgesamt. Das Kollegium muss somit dasjenige Teilungsverhältnis finden, das die weitere Arbeit möglich macht. Jeder fordert sein Einkommen also gewissermaßen vom anderen, nimmt also, was er für sich beansprucht, faktisch einem Kollegen weg. Da nur ein bestimmter Gesamtbetrag verfügbar ist, ist somit auch jeder genötigt, einen sachlichen Blick auf die Bedürfnisseite zu wagen. So wird die Aufteilung des Gesamtbetrages sozial gestaltbar. Sie definiert sich durch die Wahrnehmung der individuellen Bedürfnisse und die freie Anerkennung der individuellen Leistung.


Falls die Pädagogen sich zu einer solchen aktiven Solidarität dauerhaft nicht in der Lage sehen, kann alternativ auch ein einheitliches Gehalt festgesetzt werden, das für jede voll mitarbeitende Person, d.h. z.B. für Lehrer und Erzieher, jeweils gleich hoch ausfällt.