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Rechtsform und Trägergesellschaft

Der Pädagoge versteht sich selbst am besten auf Pädagogik. Kein Lehrer oder Erzieher der Freien Interkulturellen Schule Berlin soll deshalb als Angestellter betrachtet werden können, der eine programmatische Forderung eines „Arbeitgebers“ umzusetzen hat. Es soll kein Verein entstehen, durch welchen jedes beliebige Mitglied die Möglichkeit gewinnt, dem erfahrenen Pädagogen Vorschriften zu machen. Es wäre jedoch andererseits auch nicht richtig betrachtet, den einzelnen Lehrer als seinen eigenen Arbeitgeber, gewissermaßen als „Ich-AG“, zu betrachten. „Arbeitgeber“ muss hier vielmehr etwas Geistiges werden können, nämlich gerade das Gemeinsame, das freie Menschen in der wechselseitigen Steigerung und Befruchtung ihre Kräfte und im Interesse des jeweiligen Kindes erst schaffen können. Deshalb hat der Förderkreis gemeinsam mit den Pädagogen diejenige Rechtsform als Trägergesellschaft ausgearbeitet, durch welche die Schule im wahrsten Sinn des Wortes eine „selbstverwaltete“ Schule genannt werden kann, und zwar so, dass einerseits jeder einzelne Pädagoge verantwortlicher Gesellschafter, andererseits aber der gemeinsamen Aufgabe verpflichtet ist.

 

Träger der Freien Interkulturellen Waldorfschule Berlin wird die „Freie Interkulturelle Waldorfschule Berlin gUG (haftungsbeschränkt)“, weil sich das GmbH-Recht am geeignetesten erwies, beide Aspekte zu verbinden. Jeder pädagogische Mitarbeiter ist Gesellschafter mit gleichem stimmberechtigtem Anteil. Wer nicht unmittelbar in der Schule tätig ist, kann auch nicht Gesellschafter des Trägers werden. So wird gewährleistet, dass die Verwaltung der Schule in der Hand der Menschen bleibt, die direkt am Kind sind. Das höchste Gremium ist die Gesellschafterversammlung, die so mit den Lehrer- und Erzieherkonferenzen zusammenfallen kann. Die Versammlung der Pädaogen ist der Arbeitgeber, jeder Einzelne steht jedoch zugleich in einem Arbeitnehmer-Verhältnis zur Gesellschaft. Zudem sind ein Fachbeirat und ein Elternbeirat eingerichtet. Der Fachbeirat berät das Kollegium in pädagogischen Fragen, und ist vor jeder konzeptionellen Änderung zu hören. Der Elternbeirat wird aus der Elternschaft gewählt und trägt Sorge, dass die multikulturelle und soziale Ausrichtung der Schule gewahrt bleibt. Er überwacht insbesondere die Geschäftsführung und interveniert, wenn z.B. die Geschäftsplanung zu einer Benachteiligung einkommensschwacher Haushalte führen könnte.

 

Personalentscheidungen treffen die Pädagogen gemeinsam. Lediglich für den Beginn hat der Förderkreis das Gründungsteam zusammengestellt. Er hat dabei Sorge getragen, dass nur solche Lehrerpersönlichkeiten in Betracht kommen, die zu einer freien und selbstverantwortlichen Zusammenarbeit auch in der Lage sind, und ihre Freiheit nicht durch die eigene Verfassung sogleich wieder abschaffen. Selbstverständlich darf die Verfassung mit dem Leben Schritt halten, und sich im Laufe der Jahre auch verändern. Unter allen Umständen ist jedoch zu vermeiden, dass jemals Hand und Kopf auseinandergehen, dass also die Entscheidungsbefugnis in irgendeinem Punkt bei Personen liegt, die nicht zugleich im Schulzusammenhang aktuell und unmittelbar mit Kindern arbeiten.

 

Als Rudolf Steiner mal gefagt wurde, ob Freiheit nicht zur Anarchie führe und ob es daher nicht auch eine „Autorität“ für die Lehrer brauche, antwortete er:

 

„Es kann einer einfach dadurch eine Autorität sein, daß er einem in anderen Dingen überlegen ist. Wenn ich von Klopstocks ,,Gelehrtenrepublik“ gesprochen habe, so bedeutet das nicht, daß jeder nun tun wird, was er will: Er wird vielmehr gerade nicht einfach tun, was er will, sondern aus den Bedürfnissen des Geisteslebens heraus, um dieses möglichst fruchtbar zu gestalten, wird wieder das Hinneigen zu denjenigen, die einmal eine Autorität sein sollen, ein freiwilliges sein. Eine ,,Verfassung“, die aber nicht beruht auf starren Gesetzen, auf knöchernen, staatlichen Verordnungen, eine Verfassung kann schon gedacht werden im freien Geistesleben; nur wird sie sich auf die realen, die lebendigen Verhältnisse der Menschen beziehen, die an diesem Geistesleben teilnehmen. Das ,,Gesetz“ muß allerdings auf diesem Boden erst ersetzt werden durch die freien menschlichen Verhältnisse, die ja individuell sind und sich immer von Woche zu Woche ändern können, und die durchaus nicht durch starre Gesetze gebunden und in irgendeiner starren Form verewigt werden können.“

 

Hierarchien sollen sich in der Freien Interkulturellen Waldorfschule Berlin gerade ausbilden können, aber eben solche, die durch die unterschiedlichen Fähigkeiten in Bezug auf eine konkrete Sachfrage begründet sind. Es soll zu jedem Zeitpunkt stets derjenige „oben“ sein, der in einer konkreten Beziehung das meiste Sachverständnis beweist. Das heisst, es werden sich die vielfältigsten Hierarchien in einem Augenblick bilden, und im nächsten Moment wieder auflösen. Dem steht die fest definierte Hierarchie einer Rechtsform, etwa der Vorstandsposten, im Weg. Die Schulgemeinschaft wird deshalb die Rolle der vom Gestzegeber definierten Posten so gestalten, dass der jeweilige „Amtsinhaber“ gerade nicht die Verantwortung an sich ziehen kann, sondern dem jeweils Fähigsten ermöglicht, in der betreffenden Sache alleine zu entscheiden, so lange, als die Gemeinschaft die entsprechende Fähigkeit eben anerkennt.

 

Die Rechtsform gibt den Menschen eine äußerlich wirkende Verfassung. Sie stellt zwei Menschen zunächst ganz beziehungslos nebeneinander, etwa dadurch, dass beide angestellt sind. Ihre einzige Verbindung ist eine theoretische, sofern nämlich mit den Statuten der Rechtsform oder mit dem „Lehrplan“ eine übergeordnete Idee definiert wurde. Um eine wirkliche Gemeinschaft im Sinne einer Begegnung im Interesse der konkreten Erziehungsaufgabe handelt es sich dabei noch nicht. Dieses reale „Geistesleben“ kann vielmehr erst durch ein permanentes Ringen um den objektiven Gesichtspunkt bewirkt werden. In diesem Sinn stellt die Freie Interkulturelle Waldorfschule Berlin der äußeren Verfassung ganz bewusst ihre innere Verfassung entgegen, um die sich das Kollegium kontinuierlich bemüht. Durch ein wirkliches Ernstnehmen des reinen Erkenntnischarakters der Lehrerkonferenzen trägt es dafür Sorge, dass nicht irgendein Abstimmungsverfahren oder ein Amsträger, sondern die sich jeweils aus der Sache ergebende Autorität real das letzte Wort spricht.